Herman - 1973 - 2006
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aus "alten Zeiten" - von und mit Herman
Herman d' German - direkter Verweis
(Herman d' German)
Hermanband - direkter Verweis
(Herman-Band)
Smoking Subskins - direkter Verweis
(Smoking Subskins)
"Therapie Total" (29.09. - 01.10.2006) von "Doc Pommes"
 
Bei der folgenden "Geschichte" versuche ich meine letzten Tage mit Herman zu beschreiben. Und noch ein bisschen mehr von dem, was ihn ausgemacht hat.
 
Für Unterstützung zu Details, bei denen mich mein Erinnerungsvermögen verlassen hat, danke ich insbesondere Katrin, Jürgen, Steffi und Tommy.
Für eine kritische Betrachtung des Textes durch eine Außenstehende danke ich "Zwerghuhn".
 

 
Aus meiner Sicht der Dinge war Herman einfach immer da, wenn man ihn brauchte. Selbst wenn es einem selber nicht mal bewusst war, überhaupt jemanden zu brauchen.

In meinem Fall bedeutete dies unter anderem, dass Herman mich in schöner Regelmäßigkeit Freitags Mittags anrief, oder mir eine SMS schickte, wenn abends "Therapie" war. Meistens habe ich Freitag direkt nach der Arbeit keine Lust mehr, überhaupt noch irgendwas zu unternehmen. So hat es mich also regelrecht gernervt, daran erinnert zu werden.
Aber Herman war hartnäckig, kannte meine Marotten wie kein anderer, und wusste ganz genau, dass sich meine Laune in neun von zehn Fällen schlagartig besserte, wenn ich denn - manchmal nörgelnd - dort angekommen war, wohin er mich "mitschleppen" wollte.

Neben dieser etwas peinlichen, aber für das Verständnis der Umstände notwendigen Selbstkritik sollte ich vielleicht kurz erläutern, was es mit der "Therapie" auf sich hat. Es handelt sich dabei mitnichten um eine medizinische Behandlung im klassischen Sinne (wobei Herman mit mir auch mal etwas in dieser Art erleben musste, aber dazu vielleicht an anderer Stelle mehr), sondern um eine lockere "Combo" die sich richtig geschrieben „TheRaBoyTen“ nennt.

So kam ich - dank Herman - zu einer mehr oder weniger regelmäßigen Dosis von Livemusik in Form einer whiskeyunterlegten Probe, an der ich mich in hohem Maße aktiv beteiligte, was den Whiskey anging, und in etwas weniger hohem Maße, was den Part eines Teilzeitsängers betrifft.
Herman hat das im Prinzip mit genau umgekehrtem Vorzeichen genauso gehandhabt - also im Vergleich zu mir mehr gesungen und viel weniger gesoffen.
Soviel also zur "Vorrede".

Freitag, den 29. September 2006 war also aus meiner Sicht ein ganz "klassischer" Tag: Arbeitswoche rum, müde, und Herman hat mich halt - diesmal sogar fast freiwillig - zur "Therapie" mitgenommen.

An besagtem Abend hatte Herman einer seiner “es ist ein wenig Kuchen übriggeblieben – Auftritte”. Auf einer Feier seiner Familie kam nach seiner Aussage auf jeden Anwesenden ungefähr ein Kuchen, so dass die “Therapie” entsprechend sehr gut mit diversen “Resten” versorgt war. Nach meiner Erinnerung handelte es sich um eine nahezu komplette Schwarzwälder Kirschtorte und noch einigen anderen kleineren “Kalorienbomben”.
“Kuchen” und “Herman” traten überhaupt ziemlich oft gemeinsam auf. Zwar hat Herman zwecks Diät gar nicht (mehr) so viel Kuchen gegessen, aber dafür schleppte er weiterhin ziemlich viel davon durch die Gegend; und manchmal wurde “Kuchen” auch zu so etwas wie einer Ersatzwährung: Als jemand mal einen Videorecorder brauchte hat Herman seinen “alten” mit den Worten “back' mir dafür einen Kuchen!” ohne viel Aufhebens eingetauscht.

Ich selbst war zu dieser Zeit – was Schokolade und Kuchen anging – fast völlg Abstinent und habe mich stattdessen in gesundheitsschädlicher Weise dem Whiskey hingegeben. Schon aus diesem Grund ist meine Erinnerung vielleicht nicht mehr die allerbeste.
Deshalb möchte ich – anstelle von amnesischen Erinnerungsfetzen – an dieser Stelle vielleicht einfach mal Hermans Art, mit sich selbst und anderen umzugehen andeuten:

Das Video “Dicke” von Herman kann man ja in YouTube bewundern. Es sagt ziemlich viel aus. Herman hat es tatsächlich geschafft, dass Sprüche wie “solange die Frau nicht so Dick ist wie ich, ist das alles kein Problem!” keine Sprüche waren, sondern er zum Beispiel aus seinem Übergewicht wirklich das Beste gemacht hat und es sogar zu “Promo-Zwecken” verwendet hat. Also aus einem “Problem” etwas “Gutes” machen konnte. Ist mit T-Shirts “Ex-Model” herumgelaufen und hat sich amüsiert, dass manche Leute aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes die Straßenseite gewechselt haben.
Ich will ihn nicht zu einer “heroischen Figur” machen, auch Herman ist es manchmal schlecht gegangen, aber er hat insgesamt einen Optimismus verbreitet wie kein anderer. Nicht nur gegenüber sich selbst, sondern auch (fast) alle, die er kannte, damit angesteckt.


Wer meine Schilderung des Vortags gelesen hat, dürfte sich nicht wundern, dass ich am Samstag, naja, halt unheimlich verkatert war. Eigentlich hatte ich mich tierisch auf den Abend gefreut, auf Herman's Auftritte, und auch auf eine Frau, die ich hoffte, dort wieder zu treffen. Aber ich war dermaßen fertig mit der Welt, dass es mir nicht sonderlich viel ausgemacht hat, dass Katrin und Jürgen, zwei Freunde von Herman und mir, die mich eigentlich auf den Weg nach Ladenburg einsammeln sollten, nicht auftauchten.

Ich stellte mich also innerlich darauf ein, mich einfach ins Bett zu hauen und rief nur kurz bei Herman an, um ihm zu sagen, dass ich mangels Mitfahrgelegenheit eben zu Hause bleiben würde, was mir aber schon fast gelegen komme, da es mir wirklich richtig dreckig gehen würde.
Das hat nun Herman gar nicht akzeptiert, und da er selber noch nicht aufgebrochen war, schimpfte er ein bischen über Katrin und Jürgen und teilte mir mit, dass dann eben er selbst mich mitnehmen würde.
Am Ende tauchten dann schließlich alle nahezu zeitgleich bei mir auf; „die Umwelt“ hat es uns gedankt, denn schlussendlich fuhren wir dann alle gemeinsam nach Ladenburg.

Auf der Fahrt haben wir uns schon traditionell trotz – oder wegen – des Navis mal kurzfristig verfahren, hätten beinahe ein anderes Auto gerammt, und ich habe mir überlegt, ob ich Herman „Die Insel“ als Hörbuch schenken soll, weil er mir bestätigte, dass er trotz seines angedeuteten Sinneswandels in Richtung „Familie und Kinder“ selbstverständlich noch Geschichten in Richtung „Bukowski“ mögen würde.
Vielleicht haben wir – zumindest ich – auch alles „auf die leichte Schulter“ genommen, denn während der Fahrt hat Herman auch von Angstzuständen in der Nacht davor gesprochen, die ich nur damit kommentiert habe, dass er wohl – wie ich Jahre zuvor – Panikattaken bekommt und das bei wiederholtem Auftritten nicht auf die leichte Schulter nehmen soll. Auf jeden Fall nicht alle Medikamente schlucken sollte, die Ärzte in Folge seiner ZNS-Infektion zwei Jahre zuvor an ihm „ausprobierten“.

In Ladenburg angekommen hat es Herman – wie fast immer – geschafft, fast direkt neben der Bühne zu parken und schloss sich erstmal mit der Band kurz. Ich selbst versuchte bei einer Schorle und Pommes – nach dem Motto „lieber den Kater von heute bekämpfen, als an die Blutwerte von morgen denken – überhaupt irgendwie zu mir zu kommen, und unterhielt mich eingehend mit Katrin und Jürgen. Irgendwann nahm ich mir relativ bewußt vor, mich an diesem Abend mal ein wenig zu „emanzipieren“. Also nicht die ganze Zeit wie sonst üblich, wie eine Klette an Herman zu hängen.
Ich bitte das nicht falsch zu verstehen, ich habe mir selbst später viele Gedanken über „Vorahnungen“ gemacht – dazu später noch mehr – aber dieser „Entschluß“ fußte in der Überlegung, dass ich bewußt „lernen“ wollte, notfalls auch ein paar Wochen ohne Herman auszukommen, da der sich nach Jahren der „Zweigleisigkeit“ anschickte, seinen Lebensmittelpunkt ins Saarland zu verlegen, und, wie bereits erwähnt, auch solch für ihn ungewöhnliche Begriffe wie „Heiraten“ und „Familie“ fielen.

Ich hielt das aber nicht sehr lange durch, denn kurz darauf folgte Herman's erste „Eheberatung“ an diesem Abend. Der Begriff ist wunderschön doppeldeutig, denn manche Leute haben Herman und mich als „Brüder“ bezeichnet – und andere haben mit einem Schmunzeln (?) gemeint, wir würden uns manchmal benehmen, wie ein altes Ehepaar. In diesem Fall bestand Hermans gutgemeinter Hinweis darin, dass ich doch, wenn mir schon mal eine Frau anbieten würde, mich auf die Toilette zu begleiten, nicht lange überlegen sollte, ob sie das jetzt ernst meint, sondern einfach mit „Ja!“ antworten solle. „Aber Du bist halt nicht so.“ war sein halb-resignierendes Urteil.

Die Stimmung während des Konzert der „Heroes and Divas“ war sehr gut. Nicht jeder kann dem sehr viel abgewinnen, wenn eine Coverband auf einem Stadtfest vor einer zunehmend alkoholisierten Menschenmenge spielt, aber wenn man über seinen Schatten springt (und selbst etwas trinken darf), kann man das meines Erachtens ganz gut genießen.
Herman war dabei – wie immer – der absolute „Knüller“, wenn er die Bühne betreten hat: Ein sehr deutlich übergewichtiger Mensch singt ohne jede Spur von Frustration mit einer Stimme wie ein Hochofengebläse „Dicke“ von Westernhagen...
Extrem beeindruckend war sein Cover von „Highway to Hell“. Der Himmel sorgte für eine passende zusätzliche kostenlose Lightshow, denn Wolken zogen auf und es blitzte und donnerte in der ferneren Umgebung sehr heftig. An dieser Stelle bekam ich irgendwie ein etwas mulmiges Gefühl – das war vielleicht im Nachhinein wirklich so etwas wie eine „Vorahnung“. Entgegen meiner sonstigen Art wischte ich den Gedanken weg: Mir machte das Leben wieder einigermaßen Spaß, die Zukunft bot Perspektiven und Herman ging es ja offenkundig wieder gut, er hatte sich von den Folgen einer Infektion, die zwei Jahre zurücklag, und ihn fast das Leben gekostet hätte, wieder so gut wie vollkommen erholt. Er war ja sogar fitter als ich – Schritt bei Kneipenbummeln forsch voran, und machte nun mich zur „roten Laterne“. Und überhaupt ging er auf der Bühne ab, wie zu seinen allerbesten Zeiten. Also: Mach' Dir keine Sorgen!

Herman kommentierte das Unwetter auf seine provozierende Art mit der Bemerkung „Ich habe keine Angst vor Gott!“. Ein paar Minuten später gab dafür aber die Licht- und Soundanlage kurz nach – oder war es sogar bei - „Engel“ wetterbedingt den Geist auf. Aber selbst das konnte der Stimmung nichts anhaben. Stellt Euch einfach ein paar hundert Leute vor, die im strömenden Regen unter Anleitung „Alle meine Entchen“ singen :)

Wenn ich mich richtig entsinne hat Herman irgendwann zwischendurch jemanden gebeten, mal einen Wodga-Lemmon für Katrin zu organisieren, das Ganze ist dann so ausgegangen, dass Herman in kleinerwerdenden Abständen mit einem Glas vor mir Stand und meinte „trink das mal, das hat mir schon wieder jemand ausgegeben!“
Die teilweise doch recht durchnässten Menschen gaben jedenfalls keine Ruhe, bevor Herman zwei Zugaben gegeben hatte. Steffi – von der Heroes and Divas Band - hatte dabei total Gänsehaut. Das weiß ich zugegebenermaßen nur noch vom „höheren Sagen“, denn ich war ab einem gewissen Zeitpunkt dabei einem armen Menschen „das Ohr abzuquatschen“, statt mich mal später auf einen Kaffee zu verabreden.
Die Auswirkungen davon bestanden in der Fortsetzung von Hermans „Eheberatung“ auf der Rückfahrt, kommentiert von Katrin, die mich und Herman einmal mehr mit einem „alten Ehepaar“ verglich.

Kurz vor der Verabschiedung von Herman, Katrin und Jürgen – und meiner Wenigkeit – haben wir dann noch eine schöne „Realsatire“ an einem Zigarettenautomaten abgezogen. Den wollte einige Wochen vorher jemand erfolglos knacken, aber ich wusste, dass der Automat zwar aussah wie eine halbgeöffnete Konservendose, ansonsten aber einige Tage vorher noch funktioniert hatte. Irgendwie wollte das Teil jedoch nicht wie wir und das Ganze hat garantiert irgendwann so ausgesehen, als ob wir nun den „verunglückten Aufbruchversuch“ zum Abschluß bringen wollten.
So trennten wir uns also nach einer letzten Zigarette wieder – wir hatten den Automat am Ende doch „besiegt“ - und ich persönlich habe mich über einen richtig geilen Abend gefreut.

Herman wollte direkt nach Saarbrücken zu seiner Freundin fahren, die leider wegen einer Grippe an diesem Abend nicht dabei war, deswegen habe ich ihn dann nochmal angerufen. OK, das war der zweitwichtigste Grund, dass ich dachte, er könnte ja noch ein wenig Unterhaltung vertragen. Der wichtigere war zugegebenermaßen, dass ein planloser, betrunkener Mensch (also ich) nicht mehr wußte, wie die Frau, die er den halben Abend „belästigt“ hatte, eigentlich genau mit Nachnamen hieß. Und da sie Teil der Band war und Herman ein besseres Gedächtnis hatte als ich, war es ja nur naheliegend das zu klären.
Herman ist ans Handy gegenagen und hat mir flüsternd mitgeteilt, dass er gerade auf der Straße Stünde und nicht so laut sein wolle, da seine „Stiefmamma“ schlafen müßte, weil sie am nächsten Tag Frühschicht hätte – oder so was in der Art. Und dass er mich gleich zurückrufen würde.
Das hat er dann einige Minuten später auch getan. Und er hat mir noch den richtigen Nachnamen genannt, mit der Bemerkung, dass er mit das auch auf der Straße hätte sagen können. Ich habe ihn noch gefragt, warum er doch nicht mehr nach Saarbrücken fahren würde und er hat gemeint, dass er einfach zu kaputt sei und lieber morgen fahren würde. Habe ihm gesagt, dass ich das für eine gute Idee halte, dass er nichts riskieren sollte. Er hat dann eben noch nachts mit seiner Freundin telefoniert.

Meine letzte „Unterhaltung in üblicher Weise“ mit Herman habe ich ja geschildert. Gelegentlich meine ich ihn allerdings auch heute noch zu mir sprechen zu hören. Zum Beispiel, wenn ich mich bewusst frage, was er wohl von einer bestimmten Situation halten würde.
Und manchmal auch völlig unverhofft. Einmal stand ich vor seinem Urnengrab und hatte das Gefühl, ich sollte ein Plektrum bei ihm lassen. Überlege, ob ich das dahingehend interpretieren soll, dass ich seiner Meinung nach zwar unbedingt noch singen soll, aber das Bassspielen besser lassen – oder ob er einfach ein zweites – wirklich fettes - Plektrum an die Urnenwand geklebt haben wollte. Letzteres hat er jedenfall bekommen, denn sein Vater hat genau das mit meinem „abgelegten Souvenir“ gemacht.

Es hat fast drei Jahre gedauert, diese wenigen Zeilen zu schreiben.
Inzwischen bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass Trauer zwar wichtig ist – und auch ich fast alles dafür geben würde, wenn Herman noch da wäre. Selbst wenn er nur noch Phasen hätte, in denen er mich im übertragenen oder sogar buchstäblichen Sinne „ankotzt“, denn auch so etwas gehört zu einer echten Freundschaft. Man konnte ihm sowieso nie wirklich lange böse sein.
Viel wichtiger als Trauer ist jedoch, einfach für die Zeit dankbar zu sein, in der Herman diese Welt mit uns geteilt hat.

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Andreas "MC Owwerbutz"
Tobias "Doc Pommes"